Glück und Herausforderungen

Ausgewählte Grundsätze von Michael W. Fordyce


Wenn die eigenen Eltern alt werden, stehen die Kinder oft vor großen Herausforderungen. Diese sind in erster Linie emotionaler Natur, aber auch auf physischer Ebene nicht zu unterschätzen. Eine liebe Freundin von mir hat im letzten Jahr die Herausforderung angenommen, hat mit ihrer Familie den Wohnort gewechselt und kümmert sich seitdem um ihre 80 Jahre alte Mutter, die im Nachbarhaus wohnt. Natürlich hatte sie auch Bedenken: Was kommt da alles auf sie zu? Was macht das dann auch mit der eigenen Familie und den eigenen Bedürfnissen? Und, und, und…?

 

Neulich fragte ich meine Freundin, wie es ihr ginge und wie sie mit der Betreuung ihrer Mutter zurechtkommt. Zu meiner ehrlichen Überraschung war ihre erste Antwort: „Ich bereue nichts!“. Natürlich ist nicht jeden Tag immer eitel Sonnenschein und es rappelt auch mal ordentlich aber das gehört wohl zu jedem Leben und zu jeder Beziehung dazu.“ 

Das hat mich gefreut und gleichzeitig neugierig gemacht. Warum fühlt sie sich trotz der zusätzlichen „Belastung“ wohl und kann weiterhin auf die Frage „Wie geht es dir“ mit einem fröhlichen „Prima“ antworten? Bei meiner Recherche stieß ich auf das „Fordyce Happiness Program“ und fand hier einige Antworten, die ich gerne mit dir teilen möchte.

 

Der amerikanische Psychologe Michael W. Fordyce war ein Pionierforscher auf dem Gebiet der empirischen Glücksmessung. Die Grundlage des „Fordyce Happiness Programs“ sind die von ihm herausgearbeiteten „Vierzehn Grundsätze des Glücks“. Diese Grundsätze können seiner Meinung nach von jedem entwickelt werden und merklich zum eigenen Wohlbefinden beitragen, was er in zahlreichen Studien zu seinem Happiness Programm nachwies.

 

Ich habe mir einige dieser Grundsätze herausgepickt und möchte dir damit zeigen, dass eine Herausforderung – ganz egal welcher Art – zwar sehr fordernd sein kann, aber durchaus auch zur Steigerung unseres Wohlbefindens beiträgt.

 

SEI AKTIVER UND BLEIBE BESCHÄFTIGT – Aktivität macht glücklich

Die Hilfe und Unterstützung, die meine Freundin ihrer Mutter in dieser Lebensphase geben kann, ist unterschiedlich und variiert von Tag zu Tag. An manchen Tagen benötigt sie mehr Zuwendung in Form von Zeit – dann ist sie einfach nur für sie da und hat ein offenes Ohr für ihre Ängste und Probleme. An anderen Tagen benötigt sie Hilfe im Haushalt oder im Garten. Und oft sind es auch einfach Kleinigkeiten, wie z.B. ihre Tabletten für den nächsten Tag zu sortieren oder schnell noch eine kleine Abend-Runde mit ihrem Hund zu drehen. 

Einer der Grundsätze von Fordyce lautet „Sei aktiver und bleibe beschäftigt“. Dabei führt er fünf verschiedene Arten von Aktivitäten auf, zu denen zum Beispiel auch soziale, sinnerfüllte und bedeutsame Aktivitäten gehören. 

Um bei meiner Freundin zu bleiben: Dass sie neben ihrem Alltag mit Familie, Haushalt und Job auch noch für ihre Mutter da ist, ist zwar eine Herausforderung, aber es hält sie auch fit, da sie durch diese Herausforderung ständig aktiv ist. Darüber hinaus gibt ihr das Erledigen dieser sinnerfüllten Aufgabe jeden Tag ein gutes Gefühl.

Ob eine Tätigkeit als sinnerfüllt erlebt wird, hängt natürlich damit zusammen, ob diese Tätigkeit mit deinen ganz persönlichen Werten und Zielen übereinstimmt. Finde also für dich die Werte, die dir persönlich am wichtigsten sind und benenne deine Ziele. Wir aus dem Netzwerk unterstützen dich dabei – nimm herzlich gerne Kontakt zu uns auf!

 

ORGANISIERE DICH BESSER UND PLANE DINGE GENAU – Glück bedarf einer gewissen Planung

Auch spielt eine gute Planung und Organisation ihres eigenen Alltages und der ihrer Mutter eine große Rolle. Termine beim Arzt und beim Physiotherapeuten müssen eingehalten werden und eine gemeinsame Runde im Supermarkt oder mit dem Hund durch den Wald dürfen natürlich auch nicht fehlen. Mit dem Grundsatz „Organisiere dich besser und plane genau“ weißt Fordyce darauf hin, dass glückliche Menschen gut organisiert sind, über ein effizientes Zeitmanagement verfügen und weniger oft Aufgaben aufschieben. Meiner Freundin hilft dabei die Erstellung einer wöchentliche TO-DO Vorschau: Sie schaut sich am Ende der einen Woche an, was in der nächsten Woche zu tun ist. Hierbei kann sie ihre Termine mit denen ihrer Mutter gut im Auge behalten und stellt dabei sicher, dass genügend Raum für ihre Arbeit, ihre Hobbies und ihre eignen Bedürfnisse bleibt. Das funktioniert sicher nicht immer zu 100%, aber eine gute Organisation und Planung machen ihr das Leben leichter und helfen dabei, sich abzugrenzen und sichtbar zu machen, wenn sie eine Pause benötigt. Also hier mein Tipp: Das neue Jahr steht schon fast wieder vor der Tür - besorge dir einen Kalender, der dich besonders anspricht und der dich das ganze Jahr über täglich begleitet. 

 

HÖRE AUF, DIR SORGEN ZU MACHEN – Sorgen sind Gift für unser Glück

Meine Freundin erzählte mir, dass sie sich des Öfteren dabei ertappt, dass sie sich Sorgen um ihre Mutter und ihren Allgemeinzustand mache. Dann grübele sie darüber nach, was auf sie zukommt, wenn es mit ihrem Gesamtzustand mal schlechter wird und worauf sie sich vielleicht vorbereiten sollte. Das erinnerte mich an einen schönen Satz, den vor Jahren ein lieber Freund zu mir sagte: „Sich Sorgen machen heißt, die Wolken von Morgen über die Sonne von Heute zu ziehen“

Fordyce schlägt an dieser Stelle vor, zu versuchen, die negativen Grübel-Gedanken durch positive Gedanken zu ersetzen. Im Fall meiner Freundin zum Beispiel durch schöne Erinnerungen an frühere Zeiten und mit einem Blick in das Familien-Album. Schöne, fröhliche und unbeschwerte Bilder aus der Kindheit, die sicher dabei helfen, die grauen Wolken beiseite zu schieben. 

Kennst du die Übung „Gedankenstopp“? Wie der Name schon sagt, setzt man dem jeweiligen Sorgen-Gedanken ein ganz bewusstes Stopp-Signal. Das kann die Vorstellung von einem Stoppschild sein, oder vielleicht ein laut ausgesprochenes „Stopp“. Manchmal hilft auch eine Bewegung wie das Wechseln eines Armbands von einem zum anderen Arm oder einen Gegenstand aus einer Hosentasche in die andere zu stecken. Ist der negative Gedankenzug dann gestoppt, versucht man die Gedanken auf etwas Positives zu richten, das einem Kraft und Zuversicht gibt. Auch hier hilft es manchmal, eine kraftvolle Bewegung zu machen oder sich ein besonderes Bild oder Zitat zur Hand zu nehmen.

WERDE GEGENWARTSORIENTIERT – Das Leben findet jetzt statt

Den Untersuchungen von Fordyce zur Folge, beschäftigen sich glückliche Menschen vor allem mit der Gegenwart und sind mit allen Sinnen im Hier und Jetzt. Auch meine Freundin versucht sich selbst immer wieder drauf aufmerksam zu machen, um die schönen Augenblicke, die sie mit ihrer Mutter noch teilen darf, genießen zu können. Gemeinsame Spaziergänge, Erinnerungen an vergangene Zeiten und auch mal ein gemeinsam gekochtes Essen sind solche Momente. Diese bewusst wahrgenommene gemeinsame Zeit löst oft ein sehr warmes Gefühl der Dankbarkeit in ihr aus.

Aber auch losgelöst von der Aufgabe bzw. der Herausforderung ist das bewusste Erleben im Hier und Jetzt und die damit verbundene Achtsamkeit ein wichtiger Baustein für das eigene Wohlbefinden. Ruhe und Kraft findet meine Freundin auch zum Beispiel bei einem Spaziergang durch den Wald: hier konzentriere sie sich dann nur auf das Hören. Das Rauschen der Bäume, das Zwitschern der Vögel oder die Geräusche der eigenen Füße auf dem Weg. Probiere es doch mal selbst aus. Der Herbst ist eine ganz besonders schöne Jahreszeit, um in den Wald zu gehen. 

 

ARBEITE AN EINER GESUNDEN PERSÖNLICHKEIT – Unsere mentale Gesundheit ist der Schlüssel

Natürlich kommt meine Freundin mit der Betreuung ihrer Mutter auch ganz oft an ihre Grenzen und stellt sich und ihre Hilfsangebote in Frage. Und natürlich stellt sie auch gelegentlich am Ende des Tages fest, dass sie sich nicht optimal verhalten hat und an der ein oder anderen Stelle hätte etwas nachsichtiger der Lebenssituation ihrer Mutter gegenüber sein können. Aber sie ist eben auch nur ein Mensch und akzeptiert, dass sie fehlbar ist und versucht gleichzeitig so oft wie möglich zu reflektieren, wo ihre Fähigkeiten und ihre Grenzen, wo ihre Motivation, ihre Bedürfnisse sind und sie hört so gut es geht auf ihre eigenen Gefühle. Sich selbst zu mögen, sich frei von der Meinung anderer zu machen und authentisch und echt seinen eignen Weg zu gehen, das ist, was Fordyce mit dem Grundsatz „Arbeite an einer gesunden Persönlichkeit“ meint. 

Wenn man sich also dabei ertappt, sich selbst nicht zu mögen, kann eine Übung aus dem Happiness-Training helfen: „Ich selbst in Bestform“ heißt diese Übung. Dabei geht es darum, sich an eine Begebenheit zu erinnern, in der man in Bestform gewesen ist. Ein besonderes Erlebnis, auf das man mit Stolz zurückblickt und in dem man seine persönlichen Stärken und Talente optimal eingesetzt hat. Eine andere Möglichkeit ist es, sich eine Zukunft vorzustellen, in der man diese Bestform erreicht. Wie könnte das aussehen? Wie könnte man die ein oder andere Situation noch besser handhaben? Versuche es doch auch einmal und mach dir unbedingt Notizen. Es ist so spannend, was sich hier für tolle Geschichten ergeben.

 

BESEITIGE NEGATIVE GEFÜHLE UND PROBLEME – Probleme kann man lösen

Die Gründe für emotionale Konflikte machen lt. Fordyce die Menge an negativen Erlebnissen, das Auftreten von größerem Druck und Stress im Alltag und die individuelle Widerstandsfähigkeit, die sog. Resilienz, aus. Der Alltag mit einer Mutter, die Hilfe benötigt, ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung. Mutter und Tochter haben auf der einen Seite eine gemeinsame Geschichte und auf der anderen Seite hat jede ihr eigenes Leben. Jede hat ihre eigenen Bedürfnisse und vor allem auch ihre ganz eigene Sicht auf die Situationen und auf das Erlebte aus der gemeinsamen Vergangenheit. Dass der gemeinsame Weg, jetzt wo die Mutter auch immer mehr an Kraft verliert, nicht immer einfach ist, liegt auf der Hand. Meine Freundin erzählte mir, dass es ihr an manchen Tagen auch einfach zu viel wird und dann schlichtweg die Pferde mit ihr durchgehen, wie man so schön sagt. 

Wie kommen wir in solchen Situationen wieder zu uns selbst? Hier können sicher ausgewählte Übungen zum Thema Achtsamkeit helfen oder auch eine entspannende und regenerierende Meditation. Natürlich kann auch ein Training, Coaching oder eine psychologische Beratung an dieser Stelle sehr hilfreich sein. Schau dich gerne hier in unserem Netzwerk um. Auf unserer Website unter dem Punkt „Happiness Trainer finden“ entdeckst du vielleicht genau die richtige Person, die jetzt für dich eine Hilfe sein kann.  Eine gute Chance, um direkt wieder zum eigenen Wohlbefinden zu kommen, hast du aber auch, wenn du die Emotionen zeigst und möglichst zeitnah darüber redest – je eher du dich damit auseinandersetzt umso besser. 

 

ENTWICKLE POSITIVES, OPTIMISTISCHES DENKEN – Wer die Welt positiv sieht, sieht mehr

Ich würde meine liebe Freundin im Großen und Ganzen als eine optimistische Person beschreiben, die das Glas eher halbvoll sieht und versucht ihre Gedanken auf das Positive zu lenken. Fordyce beschreibt Optimismus als eine Tendenz, Erlebnisse positiv zu interpretieren und zwar im gleichermaßen in Bezug auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Das finde ich sehr spannend. Ich denke, die meisten von uns haben schöne und nicht so schöne Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht. Aber wenn wir uns bewusst auf die schönen Erlebnisse fokussieren, können Situationen aus der Kindheit, welche man einst als persönliche Katastrophe empfunden hat, weniger tragisch erscheinen. Und wie eben bereits beschrieben, erzählte auch meine Freundin mir, dass sie sich bemühe, vor allem auf die schönen Momente zu achten. Auf ein herzliches gemeinsames Lachen oder eine vertraute Unterhaltung. Diese Momente bewusst wahrzunehmen, hilft ihr den Gedanken an die Zeit, wenn ihre Mutter einmal nicht mehr da ist, als weniger schmerzhaft zu empfinden. Denn dann kann sie genau auf diese gemeinsamen Stunden und Erlebnisse zurückblicken und wird sich sicher daran erfreuen.


Einen schönen November wünscht Dir,  

Deine Alexandra Stockhausen



 

Ein Artikel von Alexandra Stockhausen | Email: [email protected] / November 2023