Glück und Wut
Glück und Wut, wie passt das zusammen? Wut ist ein sensibles Thema, über das Betroffene meist ungern sprechen und selten lösungsorientiert nachdenken. Wut wird oft als unerwünscht, störend und inakzeptabel empfunden. Man schämt sich wegen ihr oder versucht sie zu unterdrücken.
Tatsächlich ist es ein Riesenglück, dass wir Wut empfinden können, denn Wut ist ein richtig guter Kompass, um den Zustand von Glücklichsein immer häufiger und ungestörter erleben zu können. In diesem praktischen Blogartikel verrate ich Dir, was es mit der so überwältigenden Emotion Wut auf sich hat und wie Du sie für dich als Wegweiser nutzen und somit entspannter und glücklicher leben kannst.
Ursachen für Wut
Immer wenn wir wütend werden, ist es nicht die Situation direkt, die uns wütend macht. Es sind die eigenen Gedanken und die eigene Bewertung dieser Situation, die Wut in uns aufkommen lässt. Die gute Nachricht vorweg: Jeder kann lernen und trainieren, sich seiner Gedanken bewusst zu werden und seine Gedanken zu lenken oder sie zumindest schnell im „Selbstgespräch“ zu relativieren. Dazu später mehr.
Oberflächlich betrachtet ist die Liste für mögliche Ursachen von Wut lang: Schuld, Zurückweisung, Überforderung, Enttäuschung, Übermüdung, Hunger, Verzweiflung, Unsicherheit, Verletzung, Einsamkeit, Scham, Betrug, Frust, Neid usw..
Manchmal erinnert sich Dein System in einem Wut-Moment an eine einst erlebte Situation, in der Du eine dieser eben aufgezählten schlechten Erfahrungen erlebt hast. Und Deine aktuelle Wut möchte Dich einfach nur davor bewahren, erneut diese schlechte Erfahrung erleben zu müssen. Schaut man hinter diese Ursachenliste, steckt eigentlich eine einzige simple Ursache hinter all diesen Punkten:
Dir wichtige WERTE oder BEDÜRFNISSE wurden missachtet.
Beispiel: Bei einem Exitgame wollte mir ein Mitspieler mal eine Spielkarte partout nicht geben. Das hat mich so wütend gemacht. Später wusste ich, warum:
1. Ich fühlte mich ausgegrenzt, weil ich nicht miträtseln und zur Lösung beitragen durfte.
= Bedürfnis nach Zugehörigkeit
2. Ich fühlte mich meiner Freiheit beraubt, weil jemand anderes über mich entschied.
= Bedürfnis nach Freiheit
3. Ich fühlte mich minderwertig, weil man mir nicht zutraute, dass ich es lösen kann.
= Bedürfnis nach Wertschätzung und Liebe
Genau diese Missachtung von Werten und Bedürfnissen passiert übrigens auch in anderen, die Dir gegenüber wütend reagieren. Es liegt nicht zwangsläufig an Deinem Verhalten, sondern an der Bewertung und die Gedanken Deines Gegenübers über die Situation. Vielleicht hilft Dir das, um beim nächsten Mal auf andere wütende Menschen etwas gelassener zu reagieren, anstatt selbst mit Wut die Situation weiter zu befeuern.
Was hilft bei Wutausbrüchen?
Während man wütend ist, sagt und tut man oftmals Dinge, die einem später leidtun und die man nicht mehr ungeschehen machen kann. Eine gesunde Reaktion auf Wutauslöser besteht darin, die aufkommende Wut anzuerkennen und das Ereignis bewusst neu zu bewerten.
Solltest Du das nächste Mal merken, dass Deine Wut nicht nachlässt, probiere die folgenden Strategien aus:
- Werde Dir Deiner Wut bewusst
- Atme mehrmals ganz tief ein und aus und zähle dabei: Einatmen: 21, 22, 23, Ausatmen: 24, 25, 26, Einatmen: 27, 28, 29 usw.
- Steige schnellstmöglich aus der Situation aus:
- Verlasse den Raum
- Beschäftige Dich mit etwas ganz anderem
- Bewerte die Situation erneut aus einer anderen Perspektive
- Finde Wege, um die überschüssige Energie abzubauen:
- Balle deine Hände zu Fäusten (ohne andere zu verletzen oder Dinge zu zerstören!)
- Geh Joggen
- Geh Radfahren
- Tanze bei lauter Musik
- Gehe in den Wald, um dort ungestört zu schreien oder zu trampeln
- Schreie oder boxe in ein „Wutkissen“ oder eine Decke hinein
Neulich stieß ich auf ein wunderschönes Kinderbuch, in dem ebenfalls das Thema Wut toll behandelt wird: „Sina und die Yogakatze“ von Ursula Karven, erschienen im Rowohlt Taschenbuch Verlag
Was hilft Wutausbrüche zu vermeiden?
Sehr hilfreich ist es, herauszufinden, welche unserer Werte und Bedürfnisse missachtet wurden und vor allen Dingen, ob die anderen unsere Grenzen überschreiten oder wir selbst, indem wir unsere Werte und Bedürfnisse nicht laut aussprechen. Doch wie genau kannst du dies herausfinden?
Ein erster Schritt, um Deine Wut langfristig überwinden und glücklicher leben zu können: Geh in einer ruhigen Minute in Dich und beantworte die folgenden Fragen: „Was genau bringt dich so richtig auf die Palme? Welche verletzten Werte und Bedürfnisse stecken dahinter?“ Wenn du öfter wütend bist als dir lieb ist, dann empfehle ich Dir, eine Woche lang ein tabellarisches Wutprotokoll zu schreiben mit 6 Zeilen:
1. Zeile: Situation: Was ist im Außen passiert, kurz bevor Du wütend wurdest?
2. Zeile: Gedanken: Welche Gedanken hattest Du, als die Situation eintrat?
3. Zeile: Wutlevel: Wieviel Wut hast Du nach diesen Gedanken gefühlt?
0 = gar nicht, 10 = rasende Wut
4. Zeile: Bedeutsamkeit: Wie bedeutsam ist die Situation wirklich? 0 = total egal, 10 = lebensverändernd
5. Zeile: missachtete Werte/Bedürfnisse: Welche Deiner Dir wichtigen Werte oder Bedürfnisse wurde missachtet?
6. Zeile: Lösung: Was kannst du tun, um deine eben genannten Werte und Bedürfnisse besser zu erfüllen?
Ein Wutprotokoll zum Ausdrucken kannst Du Dir am Ende dieses Artikels kostenfrei herunterladen. Die Erkenntnisse aus dem Wutprotokoll helfen Dir dabei, Deine Wut besser zu verstehen und in den Griff zu bekommen und somit Deine emotionale Kompetenz weiterzuentwickeln.
Noch mehr Tipps zur Vermeidung von Wut
- Werde Dir Deiner Werte und Bedürfnisse bewusst
- Trainiere Tag für Tag eine bewusste Denkweise
- Sprich deine Bedürfnisse laut aus
- Finde weitere Wege, wie Du Deine Werte und Bedürfnisse besser beachten kannst.
- Die bloße innere Absicht "Ich finde ab sofort Wege dafür..." ist ein guter erster Schritt.
- Stärke Dein Selbstwertgefühl
- Finde Wege, um mit unverarbeiteten Situationen Frieden zu schließen, zum Beispiel durch die Arbeit mit dem „inneren Kind“ oder deinen inneren Anteilen
Du kannst Dir für die einzelnen Punkte idealerweise professionelle Unterstützung holen, um besser voranzukommen, z. B. von einem Happiness Trainer, einem Heilpraktiker für Psychotherapie, einem zertifizierten Psychologischen Berater oder von anderen Expertinnen und Experten.
Weitere Übungen, um Wutausbrüche zu vermeiden
Neben dem Wutprotokoll gibt es weitere Übungen, die Dir den Zugang zu Deinem Unterbewusstsein ermöglichen und dadurch Unbewusstes bewusstmachen können.
Daher möchte ich Dir zwei weitere unterschiedliche Praxen kurz vorstellen:
Das Gefühl da sein lassen
Du kannst dem aufkommenden Gefühl Deine volle Aufmerksamkeit schenken. Frage dich, wo im Körper befindet sich dieses Gefühl? Was hat es für eine Qualität? Kann ich ihm eine Form oder Farbe zuordnen? Nimm Kontakt zu dem Gefühl auf. Sag innerlich oder laut: „Hallo Wut. Ich nehme dich wahr. Du bist da. Liebe Wut, was möchtest du mir mitteilen? Was brauchst du?“ Manche bekommen Bilder dazu, manche Gedanken oder weitere Gefühle. Falls bei Dir keine Antworten kommen, ist diese Methode vielleicht (noch) nicht so gut für Dich geeignet. Du kannst es weiter üben oder eine andere Methode ausprobieren.
Morgenseiten (schriftlich oder mündlich möglich)
Eine weitere Übung sind die Morgenseiten von Julia Cameron, eine amerikanische Künstlerin, Autorin und Kreativtrainerin. Jeden Morgen nachdem Aufwachen schreibst Du 3 DIN A4 Seiten per Hand voll, ohne darüber nachzudenken und ohne Pause. Statt zu schreiben kannst du auch 10
Minuten lang eine Sprachnachricht z. B. mit der Diktierapp auf Deinem Smartphone aufzeichnen. Klingt banal, ist dennoch sehr effektiv, zumindest bei mir.
Ich hoffe, dieser praxistaugliche Betrag verhilft Dir zum Glücklichsein.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Erfolg beim Ausprobieren.
Download: Wutprotokoll (PDF)
Ein Artikel von Melli Seedorf | April 2022 | Melli Seedorf – Herzkunst und
Glückstraining